Synagoge
Die neue Synagoge in der Sillgasse.
Die Erweiterung der Räumlichkeiten der Innsbrucker Kultusgemeinde im Jahr 2014 ist ein guter Anlass, sich mit der Geschichte der hiesigen Synagoge zu beschäftigen.
Der Platz, an dem der Gebetsraum heute steht, befindet sich nicht zufällig genau an dieser Stelle. Die kleine, aber lebendige jüdische Gemeinde Innsbrucks vor 1938 kam bis zu ihrer Zerstörung durch die Nationalsozialisten hier zu ihren Feiertagen und am Beginn des Sabbats zusammen. Leider existiert kein einziges Bild der Räumlichkeiten aus dieser Zeit.
Das Stöckelgebäude im Haus der angesehenen Familie Dannhauser war seinerseits immer nur als Provisorium gesehen worden; mehrere Versuche, eine repräsentative Synagoge zu erbauen, scheiterten: Im Ersten Weltkrieg zeichneten die kaisertreuen Innsbrucker Juden mit dem für den Bau vorgesehenen Geld Kriegsanleihen (und verloren alles), ein Entwurf aus den 1930er Jahren von Architekt Baumann für eine Synagoge in der Gänsbacherstrasse wurde nicht mehr umgesetzt.
Im November 1938, als die Innsbrucker SS organisiert zum Pogrom gegen die Juden der Stadt zog, wurde die Synagoge in der Sillgasse endgültig geplündert und verwüstet, die Bänke verbrannt.
Provisorien durch die Zeiten
Nach dem Zweiten Weltkrieg begnügte man sich vorläufig auch mit Übergangslösungen. Zunächst im Haus der Familie Brüll in der Anichstrasse, später in einem gemieteten Objekt in der Innsbrucker Zollerstrasse. Das Haus in der Sillgasse 15 erlitt einen Bombentreffer, an der Stelle der Synagoge befand sich nach dem Krieg eine Baulücke, später ein öffentlicher Parkplatz. Auf einem der Strasse abgewandten Stein verwies ab 1981 eine Metalltafel auf die ehemalige Innsbrucker Synagoge.
Die Tafel findet einen neuen Platz… in einer neuen Synagoge
Ende der 1980er Jahre wurde der Parkplatz von einer Wohnbaugesellschaft erworben und ein Neubau geplant. Der Architekt Michael Prachensky rief bei der ihm bekannten Präsidentin der Innsbrucker Kultusgemeinde, Dr. Esther Fritsch, an, um sich nach einem nach einem geeigneten Platz für die Erinnerungstafel zu erkundigen. Aus der mittlerweile legendären unverbindlichen Frage des Architekten „Wo willst Du denn die Tafel haben?“ entstand bald die Idee, den Neubau am historischen Ort mit dem Bau einer neuen Synagoge zu verbinden.
Von der Idee zum Umsetzung war es allerdings noch ein weiter Weg, und nur im Zusammenspiel aller Beteiligten in der besonderen Konstellation der frühen 1990er Jahre konnte dieses Projekt, das sowohl die personellen als auch die finanziellen Ressourcen der kleinen Innsbrucker Gemeinde bei weitem überstieg, realisiert werden.
Helfer aus Kirche, Wissenschaft und Politik
Die Errichtung der neuen Synagoge in der Sillgasse hat also viele Gründungspaten und – später – Geburtshelfer. An erster Stelle muss der Innsbrucker Diözesanbischof Reinhold Stecher genannt werden. Seine Offenheit und Durchsetzungskraft schufen in den 1980ern ein Klima des Vertrauens zwischen den Religionen. Die konsequente Abschaffung des Kultes um das unselige „Anderle von Rinn“ war in die geistige Vorleistung für eine neue Kultur der Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung der Religionen in Tirol gewesen.
Für die Stadt Innsbruck war der amtierende Bürgermeister Romuald Niescher schon länger zentraler Ansprechpartner. Er hatte bereits in den 1970ern erste Besuche Israelischer Gruppen vertriebener Innsbrucker Juden begleitet und war von Beginn an mit seinem Engagement einer der Schlüssel zum Gelingen der gewagten Unternehmung „Synagoge neu“.
Von Seiten des Landes Tirol war Landeshauptmann Alois Partl zuständig, im – der österreichischen Logik folgend – Drittelmix „Stadt-Land-Bund“ wurden dann Unterrichts-Ministerin Hilde Hawlicek und Innenminister Löschnak die verlässlichen Ansprechpartner in Wien. Auch diese Körperschaften trugen entscheidend zur Umsetzung des Neubaus bei.
Die vertriebenen Innsbrucker Jüdinnen und Juden, von denen viele noch das alte Stöckelgebäude bei Dannhausers gekannt hatten, zeigten bei einem Besuch 1988 ihre Unterstützung und begrüßten in einem von Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg später bei der Grundsteinlegung in die Tür eingelassenen Memorandum die Neuerrichtung.
Wie baut man eine Synagoge?
Von der Idee bis zu Grundsteinlegung und schließlich zur Eröffnung– das war ein langer, herausfordernder und oft auch kreativer Prozess, den die „neue Generation“ der Innsbrucker Gemeindeführung von 1988 bis 1993 umsetzte. Präsidentin Dr. Esther Fritsch machte sich auf den Weg, zunächst die oben genannten Helfer ins Boot zu bringen und aus der hoffentlich letzten Zwischenlösung in der Zollerstrasse in ein dauerhaft für die Innsbrucker Gemeinde bestehendes Zentrum übersiedeln zu können. Wenn sich scheinbar unüberwindliche Hindernisse auftaten, war es nicht selten der damalige Finanzreferent der Stadt innsbruck, Bruno Wallnöfer, der die Präsidentin mir einem „das machen wir schon“ aufbaute – und die Stadt hielt ihr Versprechen.
Als besonderer Ratgeber für Dr. Esther Fritsch und und ihren Stellvertreter Dr. Ber Neumann waren in Gestaltungsfragen Prof. Peter Fritsch und Prof. Reinhold Knoll aus Wien stets zur Stelle. Letzterem verdankt die Synagoge die Gestaltung ihrer außergewöhnlichen Kuppel, die den Innsbrucker Nachthimmel am Tag der Eröffnung zeigt. Errechnet wurde diese Darstellung vom Astronomen Prof. Herbert.Hartl.
Der Gebetsraum selbst ist mit naturbelassenem Marmor verkleidet, der optisch an den Jerusalemer Sandstein erinnert. In der Mitte des Raumes steht der Almemor, das Vorlesepult, auf einem Sockel.
An der Ostwand der Synagoge befindet sich der Toraschrein. Vor dem Schrein hängt ein Tora-Vorhang, der 1899 von den jüdischen Frauen Innsbrucks für die alte Synagoge gestiftet worden war. Das ewige Licht leuchtet in einer Lampe daneben. Zwei Wochen vor der Fertigstellung bekam die Gemeinde über Umwege noch ein besonderes Objekt geschenkt. Der Schlüssel der zerstörten Synagogentür, der im November 1938 von einem Nachbarn abgezogen worden war, liegt heute als Erinnerung an die Zerstörung des ersten Innsbrucker Tempels im Betraum. Heute steht über der Tür der Kultusgemeinde der Spruch „Baut mir dieses Haus und ich werde darin wohnen“, ein Zitat aus dem Buch Haggai und eine Anspielung auf die Wieder-Errichtung des Zweiten Tempels in Jerusalem.
Die Einweihung 1993 wurde dann zu einem herausragenden Ereignis. Die Feierlichkeiten begannen mit dem Anschlagen der Mesusah an den rechten Türpfosten des Synagogen-Portals durch Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg. In den nahen Räumlichkeiten der Theologischen Universität hatte Präsidentin Dr. Fritsch mit der Hausherrin Prof. Herlinde Pissarek-Hudelist die größte Veranstaltung organisiert, die das jüdische Innsbruck in den letzten 800 Jahren gesehen hat. Über sechshundert Gäste und Besucher aus Israel, Österreich, Tirol und Vorarlberg wohnten dem Festakt bei. Bischof Reinhold Stecher hielt nicht nur die Festrede sondern schenkte der Synagoge auch einen extra in Israel angefertigten silbernen Eröffnungs-Leuchter, der seither einen Ehrenplatz links neben dem Toraschrein einnimmt.
Das neue Zentrum
In den letzten 20 Jahren hat sich die Gemeinde zu einem religiösen und kulturellen Zentrum Innsbrucks entwickelt. Architekt Prachensky hatte es schon vor dem Bau 1988 vorgeschlagen, aber erst 2014 gelang es, die Räumlichkeiten in der Sillgasse um einen Mehrzwecksaal zu erweitern. In diesem können nun kleinere und mittlere Veranstaltungen, Gemeindeversammlungen und die zahlreichen Führungen durch die Synagogenräume in einem stimmigen Rahmen abgehalten werden. Im Saal hängen auch die für den Betraum in der Zollerstrasse in den 1950er Jahren von Gemeindemitgliedern gespendeten, mit bunten Bleiverglasungen versehenen Fenster.
Die Investition in das neue Zentrum wurde wieder von Stadt, Land und Bund gefördert. Die Verantwortlichen hießen nun dort Landeshauptmann Platter, Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer und – in besonderem Maße – Herwig van Staa. Sie sahen ihren Beitrag als Ergebnis des über die Jahre gewachsenen Vertrauens in die Kultusgemeinde als nicht mehr weg zu denkende Institution des Innsbrucker Stadtlebens.