Avraham Gafni 1928-2022

Der aus Innsbruck stammende Avraham Gafni – vormals: Erich Weinreb – ist 93-jährig am 11. Februar 2022 in Israel verstorben. Er war der letzte seiner Generation, der aus Innsbruck vertrieben wurde und in Israel Zuflucht und eine neue Heimat gefunden hatte.

Seine geliebte Frau folgte ihm eine Woche später. Zipora Gafni verstarb am 18. Februar 2022.

Avraham und Zipora Gafni vor ihrem Haus in Kirjat Tiw’on, Israel 2013
(Bild: Horst Schreiber)

Avraham Gafni, geboren 1928 in Innsbruck als Erich Weinreb, wächst nach dem frühen Tod seiner Mutter bei den Großeltern Wolf und Amalie Turteltaub auf, die zu den wenigen religiösen jüdischen Bürgern in Innsbruck zählen. Sie feiern am Freitagabend den Schabbat sowie alle jüdischen Feste. Allwöchentlich besucht Erich mit seinem Großvater die Synagoge in der Innsbrucker Sillgasse.

Die schöne Kindheit, an die sich Avraham noch bis zuletzt gerne erinnert, endet abrupt 1938 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten. „Plötzlich war ich eine kleine Judensau“, erzählt Avraham Gafni viele Jahre später. Von einem Tag auf den anderen verändert sich sein Leben schlagartig. Gegen Ende des Schuljahres ruft sein Lehrer die Schüler in der Klasse einzeln auf. Als Erich an der Reihe ist, beschimpft ihn der Lehrer als „Judensau“ und verpasst ihm eine brutale Ohrfeige. Von da an darf er seine Freunde nur mehr heimlich treffen.

Während des Novemberpogroms im November 1938 wird der Großvater brutal zusammengeschlagen und zusammen mit einem Onkel, einem Großonkel und einem Cousin in Schutzhaft genommen.

Ende November 1938 muss die Familie Turbeltaub Innsbruck verlassen und so kommt Erich mit den Großeltern und den beiden jüngeren Geschwistern Poldi und Gitta nach Wien. Im Frühjahr 1939 gelingt es dem Großvater, Erich und seinen Bruder allein mit einem illegalen Flüchtlingsschiff nach Palästina zu schicken – die sechsjährige Schwester ist noch zu klein dafür.

Nach seiner Ankunft in Palästina findet Erich Weinreb bei einer Familie ein neues Zuhause und heißt von da an Avraham Gafni. Er erfährt bald, dass fast alle seine Angehörigen umgekommen sind. Seine Großeltern und die kleine Schwester Gitta wurden von den Nationalsozialisten 1942 in Riga erschossen. Viele weitere Familienmitglieder sind in Vernichtungslagern ermordet worden.

Nach der Gründung des Staates Israel arbeitet Avraham in der Handelsmarine, heiratet, ist Vater dreier Töchter, vielfacher Großvater und Urgroßvater.

Seit 1963, als er zum ersten Mal nach seiner Vertreibung wieder nach Innsbruck kommt, besucht er regelmäßig seine alte Heimatstadt und verbringt dort jährlich zwei bis drei Wochen.

Am 10. Mai 2011 verleiht ihm Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer auf Beschluss des Gemeinderates das Verdienstkreuz der Stadt Innsbruck. In ihrer Rede weist sie darauf hin, dass Avraham diese Auszeichnung als „Zeichen des Respektes und der Wertschätzung“ erhalte und als Anerkennung dafür, dass er „trotz der negativen Erfahrungen in der Zeit der Judenverfolgung das Bekenntnis zu Innsbruck lebt“.

Mit Avraham Gafni verliert unsere Gemeinde einen sehr guten und humorigen Freund – und die Stadt Innsbruck ihren letzten Zeitzeugen unter den Opfern des Novemberpogroms von 1938.

Mögen Avraham und Zipora aufgenommen werden in den Bund des Lebens!

Zur Erinnerung an Avraham:

Ein sehr schöner Nachruf des ORF Tirol:
https://tirol.orf.at/stories/3143273/

Zeitzeugen-Gespräch Avraham Gafni
Im großen Plenarsaal des Rathauses Innsbruck fand am Dienstag, den 22.10.2019 ein Zeitzeugen-Gespräch und eine Buchpräsentation mit Avraham Gafni statt.
Izik Feuerstein hat das Gespräch aufgezeichnet, hier ist es zu sehen: https://youtu.be/Vmrm8IWAvrw

Radiosendung: Von Innsbruck nach Israel. Der Lebensweg von Erich Weinreb/Avraham Gafni
Freies Radio Innsbruck, Kulturton, Redakteur: Michael Haupt, 17.09.2014
Hier zum Nachhören: https://cba.fro.at/269514

Avraham Gafni
Offizieller Videoclip des Landes Tirol in memoriam Avraham Gafni


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